Pilzvergiftung – was tun?

Wenn man sich der Essbarkeit der bereits verzehrten Pilze nicht mehr sicher ist oder sich gar eine Pilzvergiftung schon mit Symptomen äußert, was ist dann zu tun? Im Folgenden werden einige grundsätzliche Informationen und Ratschläge gegeben, mit denen Sie sicher sein können, dem vorhandenen Unglück keine weiteren Fehler hinzufügen. Diese Richtlinien gelten natürlich für alle, die an der zweifelhaften Pilzmahlzeit teilgenommen haben. Die Informationen wurden vom Fachausschuss Pilzverwertung und Toxikologie zusammengestellt und aktualisiert (Stand: Dezember 2024).  

Sofortmaßnahmen

Halten Sie die Reihenfolge dieser Sofortmaßnahmen ein. Versuchen Sie nicht erst mal nach der Ursache zu forschen oder zu „behandeln“. Das machen die ausgewiesenen Fachleute von Medizin und Mykologie (Pilzkunde).

1. Ärztliche Hilfe

  • Patienten mit schweren Symptomen:
    Aufnahme in ein Krankenhaus, ggf. Rettungsdienst anfordern (Tel. 112)
  • Patienten mit leichten Symptomen oder beunruhigte Personen:
    Kontakt mit Giftnotruf aufnehmen.

2. Pilzreste sichern!

Wenn möglich Putzreste, Speisereste oder Erbrochenes sicherstellen und dem Rettungsdienst/Arzt mitgeben. Auch Fotos vom Sammelgut sind sehr hilfreich.

Dieses Material ermöglicht den Pilzsachverständigen das Bestimmen der Pilze und den Ärzten das Einleiten der angemessenen Behandlung.

3. Keine Zeit verlieren

Gehen Sie nicht selbst auf Ursachenforschung wie „googeln“ oder Pilz-Apps.

4. Weitere Betroffene informieren

Alle Personen, die an der Pilzmahlzeit teilgenommen haben, müssen informiert werden.

5. Keine Hausmittel!

Ohne ärztliche Weisung den Betroffenen nichts zu essen oder zu trinken geben. Insbesondere kein Erbrechen auslösen, keine Milch trinken, kein Salzwasser geben.

Die häufigsten Ursachen von Pilzvergiftungen - echte und unechte Pilzvergiftungen

Symptome treten nicht immer unmittelbar nach der Mahlzeit auf, sondern durchaus erst nach Stunden, in seltenen Fällen nach Tagen.

Echte Pilzvergiftungen

siehe Pilzvergiftungs-Syndrome

Unechte Pilzvergiftungen

  • Am häufigsten treten Pilzvergiftungen durch zu alte, bereits verdorbene Pilze (aus eigenem Sammelgut, aus Verkauf und aus fremder Verarbeitung) oder zu lange bzw. falsch gelagerte Pilze auf (Unterbrechung der Kühlkette, nicht atmende Plastikverpackung, tagelang in Kellern und Kisten usw.).

  • Genuss von rohen oder ungenügend gedünsteten Pilzen. Rohe Speisepilze sind im Allgemeinen giftig. Nur Kulturegerling (Zuchtchampignon), Steinpilz und einige wenige andere Arten sind roh in geringen Mengen genießbar.

  • Allgemeine Unverträglichkeitsreaktionen auf Pilze. Es gibt Menschen, die einige oder gar alle Speisepilze nicht vertragen. Die Pilze sind deswegen weder giftig noch haben diese Menschen einen erkennbaren Defekt. Es ist aber hilfreich zu wissen, dass es so etwas gibt.

Prävention – Verhindern von Pilzvergiftungen

Das beste Mittel gegen Pilzvergiftung ist die Prävention!

1. Essen Sie keine Pilze die Sie nicht kennen

  • Es gibt keine Methoden, Rezepte, Gegenstände, Pflanzen (z. B. Knoblauch), Metalle (z. B. Silberlöffel) oder Ähnliches zur Feststellung der Giftigkeit eines Pilzes. Auch von Tieren angefressene Pilze können für Menschen giftig sein. Auch durch eine lange Kochzeit lassen sich nicht alle Pilzgifte zerstören.
  • Verlassen Sie sich nicht auf „selbsternannte“ Pilzkenner oder Apps sondern wenden Sie sich an einen geprüften PSV.

2. Essen Sie keine alten, verdorbenen Pilze

  • Verwenden Sie einen Korb oder andere luftige Gefäße zum Sammeln – keine Plastiktüten.
  • Lassen Sie zu alte, madige, angeschimmelte sowie sehr junge Pilze stehen.
  • Achten Sie beim Einkauf von Zuchtpilzen auf Frische und appetitliches Aussehen.
  • Bewahren Sie Pilze nur wenige Tage im Kühlschrank auf.

3. Achten Sie auf Zubereitung und Menge

  • Essen Sie keine rohen Pilze, Pilze mindestens 15 Minuten bei 70 Grad erhitzen. Nur Zuchtchampignon und einige wenige andere Arten sind roh in geringen Mengen genießbar.
  • Vermeiden Sie übermäßige Portionen.

4. Erweitern Sie Ihr Pilzwissen

  • Gute und aktuelle Bestimmungsliteratur verwenden
  • Pilzkurse besuchen
  • An Lehrwanderungen teilnehmen
  • Pilzberatungsstellen besuchen
  • In Pilzvereinen/Arbeitsgruppen mitarbeiten

Grüner Knollenblätterpilz – die Legende vom Doppelgänger

Immer wieder wird, meist anlässlich von Pilzvergiftungen, durch verschiedene Behörden, Krankenhäuser, Giftinformationszentren, Medien sowie Pilzsachverständige zu Recht vor tödlich giftigen Grünen Knollenblätterpilzen gewarnt. Insbesondere aber im Zusammenhang mit Knollenblätterpilz-Vergiftungen von Neubürgern aus Osteuropa ist immer wieder von den o. a. Institutionen die Aussage zu lesen oder zu hören, dass in ihrem Herkunftsland angeblich essbare Pilze wachsen sollen, die dem hier wachsenden, giftigen Grünen Knollenblätterpilz so sehr gleichen, dass sie kaum zu unterscheiden sind und es deshalb immer wieder zu Verwechslungen und damit zu Vergiftungen kommt.

Seit 2015 wird die gleiche Aussage über die nahezu identischen Pilzen auch im Zusammenhang mit Flüchtlingen, insbesondere von Menschen aus Syrien, kolportiert.

Das alles ist eine nicht belegte Legende. Als welche essbare Art tarnt sich denn unser Grüner Knollenblätterpilz derart heimtückisch, dass er sowohl essbaren Pilzen in Russland als auch in Syrien so sehr gleicht? Die Welt der Mykologen und Pilzfreunde ist seit langem dicht vernetzt. Welchen Namen trägt der essbare Pilz, der dem Grünen Knollenblätterpilz gleicht? Hätten wir nicht schon längst via Internet entsprechende Hinweise erhalten?
Natürlich gibt es in Deutschland und vermutlich auf der ganzen Welt essbare Pilzarten, die man mit dem Grünen Knollenblätterpilz verwechseln kann – wenn man die Bestimmungsmerkmale seiner gesuchten Speisepilze sowie der wichtigsten Giftpilze nicht genau kennt und gegebene Unterschiede ignoriert.
Eine Bestimmung nur auf die Hutfarbe abzustellen reicht eben nicht aus – aber dazu muss man kein Pilzspezialist sein.

Ein russisches Pilzbuch von 1974 (252 Seiten, farbige Frkp.-Zeichnungen, Beschreibungen, Mikrozeichnungen, meist Sporen, Basidien, Zystiden) weist den Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), den Frühlingsknollenblätterpilz (A. verna) und den Kegelhütigen Knollenblätterpilz (A. virosa) als ebenso giftig aus, wie entsprechende Champignons, Täublinge usw. als Speisepilze.
Grüne Knollenblätterpilze und die ebenso giftigen weißen Verwandten sind auch im russischsprachigen Sprachraum als Giftpilze seit langem bekannt.

Es gibt allerdings auch Pilzsammler, denen die traditionellen Bestimmungsmerkmale überhaupt nichts sagen. Anlässlich der Vergiftung eines Südosteuropäers mit dem Grünen Knollenblätterpilz wurde der Patient befragt, mit welcher Art er den Knollenblätterpilz verwechselt habe. Seine Antwort: „Ich habe ihn nicht verwechselt! Wir riechen am Pilz: Riecht er gut, probieren wir ihn. Wenn er gut schmeckt, kommt er in die Pfanne. Das haben wir immer schon so gemacht.“ Immerhin hatte es der Patient mit der Methode auf 70 Lebensjahre gebracht.

Dies soll bitte nicht als Schelte an den Personen aufgefasst werden, die sich vergiftet haben. Vielmehr geht es darum, die Legende vom „nahezu identischen Doppelgänger“ als simple Erklärung für die Vergiftungen endlich ad acta zu legen und sie nicht immer wieder aufs Neue zu verbreiten. Es ist nicht der heimtückische Pilz, sondern es sind Unkenntnis, verlorengegangene Kenntnisse, Ignorieren von Merkmalen, Leichtsinn, möglicherweise auch Nachahmung des Sammelns ohne Hintergrundwissen, die in die Katastrophe führen. An diesen Defiziten zu arbeiten, das ist die schwierige Aufgabe für alle, die sich hier angesprochen fühlen.

Zur Aufklärung wurden Warnplakate in verschiedene Sprachen übersetzt. Bitte helfen Sie mit, diese an geeigneten Orten aufzuhängen.